Schönes Projekt

 

Maja Moro privat

 

Christina Jonke

 

© 2023 Christina Jonke

Umschlaggestaltung: ressigraphics

Druck und Vertrieb im Auftrag der Autorin: Buchschmiede von Dataform Media GmbH, Wien

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ISBN:

978-3-99139-970-4 (Paperback)

978-3-99139-969-8 (E-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

Sämtliche Figuren und Handlungen dieses Romans sind frei erfunden, die Insel und die Orte auf der Insel gibt es tatsächlich, sind aber für die Handlung fiktional adaptiert.

 

Zum Buch:

Die Eckpunkte der Geschichte: Ein Familienerbe in Gefahr, eine Bestatterin in Not, ein verliebter Pfarrer, ein geldgieriger Nichtsnutz, eine planlose Bürgermeisterin, ein Tourismus-Disneyland und eine kriminalistisch engagierte Cousine – das alles und natürlich mehr, sind die Zutaten für den zweiten Maja Moro Roman, der zwischen Österreich und Cres angesiedelt ist.

 

Zur Autorin:

Christina Jonke lebt mit ihrer Familie in Klagenfurt am Wörthersee und ist auch als Journalistin und Texterin tätig. Zahlreiche Theaterstücke aus ihrer Feder erobern im gesamten deutschsprachigen Raum erfolgreich die Bühnen. Parallel dazu entwickelt sie seit 2019 auch Kriminalromane. Bereits erschienen:

Die alte Villa am See

Sushi Taxi

Letzter Vorhang

Hinter verschlossener Tür

Wem die blaue Stunde schlägt

 

Handelnde Personen:

Maja Moro: Kommissarin auf Urlaub;

Franca Moro: Majas Cousine; Bestatterin

Marija Moro: Majas, Katas und Francas Großmutter; Dragos Großtante;

Drago Moro: Immobilienspekulant; Francas, Katas und Majas Cousin

Kata Moro: Schwester von Franca, Majas Cousine

Ingo Schöne: Immobilienentwickler

Flavia Schöne: Ingo Schönes Tochter

Nadja Kos: Bürgermeisterin

Ivo: Dragos Lebensgefährte

Marc Klingenberg: Kriminalkommissar und Majas Vorgesetzter

David Schaller: Majas Lebensgefährte;

Mirijam Moro: Marijas Tochter und Majas Mutter

Marijanna Moro: Francas und Katas Mutter / Tochter von Marija

Filip Moro: Marijas Bruder, Vater von Franjo

Franjo Moro: Dragos Vater

Padre Pino: Pfarrer und Francas Freund aus Kindertagen

Ana, Joze, Lillija, Tone: gegen Tourismusprojekt

Vanja, Karlo, France: für Tourismusprojekt

Kroatische Polizisten

 

 

1Prolog

„Ach du mein lieber Gott“, Padre Pino ist völlig außer Atem, „was täte ich ohne dich, Franca! „Was weiß ich schon, wie man ein indisches Kind richtig bestattet. Gott wird es dir vergelten, dass du dich so umsichtig kümmerst.“

Franca Moro strahlt den feschen Padre an, den sie schon seit ihrer Schulzeit erfolglos mit ihrer Verliebtheit peinigt. Was für ein Mann! Seine gewellten Haare sitzen wie immer perfekt, sein hellblaues Hemd mit dem Kollar unter dem modisch geschnittenen Kragen sitzt wie angegossen und lässt einen attraktiven Sixpack darunter erahnen. Er ist tatsächlich zu schön, um wahr zu sein, denkt Franca, während sie die Desinfektionslösung auf

den leblosen kleinen Körper von Amal Taheri aufträgt und sie mit zarten Bewegungen professionell zur Reinigung verteilt. Es fühlt sich falsch an, einen so jungen Körper zur Beerdigung fertig zu machen, und doch ist es ein letzter Akt des Respekts vor dem Leben.

So friedlich liegt er jetzt da obwohl er wohl einen schwierigen und offenbar schrecklichen Todeskampf verloren hat, als er keine zwanzig Meter vom Strand entfernt ertrunken war. So viele Menschen waren am Strand gewesen, aber niemand hatte sein stilles, verzweifeltes Duell mit dem Wasser bemerkt. Furchtbar.

Bei ihr ist der Kleine zur Vorbereitung für seinen letzten Weg in guten Händen und gleich kommen auch die Eltern und der große Bruder, die bei der Versorgung ihres Toten helfen wollen, so wie es in ihrer Kultur üblich ist.

 

„Wirst du verkaufen?“, lenkt Padre Pino Francas Gedankengang in eine neue Richtung. 

„Verkaufen? Was meinst du?“ Franca ist irritiert, sie verkauft täglich. Särge, Urnen, Dienstleistungen an Toten.

„Na, das hier!“, macht der Padre eine allumfassende Geste.

Wovon spricht der Mann? Der rudert sogleich vorsichtig zurück, denn er will keinesfalls derjenige sein, der hier schlechte Nachrichten überbringt – und wer weiß schon, ob das, was bereits die Spatzen sprichwörtlich von den Dächern pfeifen, nicht doch nur ein böswillig in die Welt gesetztes Gerücht ist.

„Oh. Ach so. Du… Es … Es ist also gar nichts dran? Gott sei Dank! Das hätte ich mir aber auch denken können. Bin ich froh, weißt du“, ist ihm peinlich, irgendwelchem haltlosen Gerede auf den Leim gegangen zu sein.

„Was für ein Gerede?“ will die Bestatterin nun Näheres wissen und lädt den Kirchenmann zu einem Kaffee in den Nebenraum ein, wo ein kleiner Kaffeeautomat meist die trauernden Hinterbliebenen mit tröstlichen Getränken versorgt, heute aber einer informativen Plauderei Vorschub leisten muss.

Kaffee. Schwarz. Ohne Zucker aber mit Löffel.

„Jetzt aber raus mit der Sprache, mein Lieber. Was soll ich verkaufen und was ist das für eine Heimlichtuerei?“, fordert Franca nachdrücklich nähere Erklärungen ein.

 

Ein wenig druckst Pino noch herum, überlegt, wie er sich aus der Affäre ziehen könnte, er will Franca nicht unnötig beunruhigen. Wenn sich dieser, derzeit im Dorftratsch so viel besprochene Immobilienhai bisher noch nicht bei ihr gemeldet hat, dann wird an den Gerüchten wohl nichts dran sein. Andererseits, wenn doch – dann wäre sie zumindest schon vorgewarnt. Ein bisschen wenigstens. Sie könnte sich vorab überlegen, wie sie reagieren will. Aber muss denn ausgerechnet er derjenige sein, der sich den ersten Unwillen der temperamentvollen Dorfschönheit zuzieht? Und der ist, wie er Franca kennt, zu erwarten wie das Amen im Gebet. - Andererseits: wozu sind Freunde schließlich da?

„Was ist denn nun, Pedro? Raus mit der Sprache! Ich verspreche dir, dass ich dir nicht den Kopf abreiße und dich auch sonst unbehelligt lasse.“ Sie hebt drei Finger zum Schwur. Pedro lacht und schüttelt den Kopf.

„Lass den Blödsinn, mit heiligen Versprechen treibt man keine Scherze.“

Entschuldigend hebt Franca beide Hände in die Höhe und beteuert einen Moment vergessen zu haben, einen Mann Gottes gegenüberzusitzen.

„Also?“

Genüsslich schlürft Pino an seinem Espresso, um noch den letzten möglichen Rest der Frist auszukosten, bevor er Franca damit konfrontiert, was im Dorf als offenes Geheimnis kursiert. Wie soll er bloß beginnen? Nein, nein, nein. Er muss sich aus der Affäre retten, irgendwie. Da fällt sein Blick auf ein buntes Gewirr aus Wolle.

„Franca! Ist wieder etwas unterwegs? Ist es bei Kata endlich soweit? Aber da sollte sie schon vorher noch das Sakrament der Ehe in Erwägung ziehen. Du musst mit ihr diesbezüglich ein ernstes Wort sprechen. Ich bin auch gerne bereit, Gottes Segen hier bei euch im Garten auszusprechen.“

Erstaunt schaut Franca ihn an, folgt seinem Blick auf ihre in Arbeit befindliche Strickerei und schüttelt lachend den Kopf. Die kleine bunte Jacke ist für die Tochter einer Freundin bestimmt. Kata habe noch nichts mit Familiengründung im Kopf, erklärt sie, schließlich gibt es nicht einmal im Ansatz einen möglichen Vaterschaftskandidaten. Seit Alessandro ihre Schwester betrogen hat und diese ihn daraufhin verlassen hat, mache Kata einen weiten Bogen um alles, was nach Herzensangelegenheit aussieht. Außerdem will sie sich zuerst noch eine kleine eigene Café-Bar aufbauen, um nur ja nicht von einem Mann abhängig zu sein. Das entspräche ganz den weiblichen Vorbildern in ihrer Familie, auch wenn das hier auf der Insel noch immer nicht gang und gäbe sei, leider. Doch dann fällt Franca auf, dass der Priester sie nur ablenken wollte.

„Aber nun erkläre mir bitte, was du so unbedingt und so gar nicht elegant versuchst vor mir zu verbergen. Was ist da im Busch, wovon ich nichts weiß, Pino? Und keine Ausflüchte mehr, wenn ich bitten darf.“

Wenn Franca einen derart resoluten Ton anschlägt, hilft kein Zaudern und Zagen, das weiß er und so gibt er sich einen letzten Ruck und plaudert aus, was ihm am Gemüsemarkt zu Ohren gekommen war:

Ingo Schöne, der Immobilienentwickler, der schon seit geraumer Zeit in Kroatien auf Einkaufstour ist, streckt seine Fühler nach der Insel aus und will sowohl Francas als auch andere Häuser in der Nachbarschaft schleifen und in ein gigantisches Bademekka nach dem Vorbild bekannter Tourismusorte verwandeln. Hier, wo es zurzeit einen einzigen Pool im Garten eines kleinen, aber umso noblerem, russischen Appartementhauses gibt, sollen nun an die zehn verschiedene Wasserbecken entstehen – mit Meerblick, versteht sich. Indoor- und Outdoorpools, so die Gerüchte. Kinder-, Jugendbecken mit entsprechenden Rutschen und Tauchanimationen. Massage-, Sprudel- und Sportbecken. Sprungtürme und Wellenanlagen zum Wellenreiten. Und sogar ein Übungsbecken für Nichtschwimmer sollen geplant sein. Überall natürlich kleine Pavillons, wo für das leibliche Wohl gesorgt wird. Nischen, in denen Massagen, kosmetische Anwendungen, Tattoos und weiß der Teufel was noch alles angeboten werden soll. Eine in sich geschlossene Stadt auf zehn Etagen und einer Länge von circa einhundert Metern, die so organisiert ist, dass der Gast überhaupt keinen Grund hat, das Gelände zu verlassen. Sogar Ärzte sollen dort angesiedelt werden – ein Paralleluniversum zum kleinen, natürlich gewachsenen Fischerdorf Martinsica, das sich zu einem touristischen Geheimtipp entwickelt hat. Es gibt hier aktuell an die einhundert Häuser. Kaum eines umfasst mehr als zwei Stockwerke, alles ist in privater Hand von Familien, die einen persönlichen Bezug zum Ort oder zumindest zur Insel haben. 

 

 

 

2 Liebesdienste

 

I´m singing in the rain, I´m singing in the rain, what a glorious feeling, I´m happy again”, schallt Majas Mobiltelefon in das noch zögerlich erwachende Morgengrauen. Unwillig zieht sich Maja die Bettdecke über den Kopf. Das kann doch nicht wahr sein, es wird doch nicht ausgerechnet so früh am Morgen und justament heute irgendwo eine Leiche herumliegen, deren Tod unter ungeklärten Umständen zustande gekommen zu sein scheint und quasi darum fleht, dass sie ebendiese Umstände aufklärt! Sie braucht noch ein paar ungestörte Minuten, um in den anbrechenden Tag zu finden. Sie denkt an den gestrigen Abend, den sie so genossen hat, wie schon lange nicht mehr. Champagnerlaune, die durch einige Caipirinhas noch weiter befeuert worden war, gute Musik, Tanzen, das eher schon ein Versprechen zu noch engerem Körperkontakt war und dann eine verspielte Nacht, die zu schade war, um sie zu verschlafen.